Eine Tour de force durch die Hamburger Amtsstuben
I. Wie Herr S. eine Kuh vom Eis kriegt
„Mach Dir man keine Sorgen, Herr Harder – die Kuh kriegen wir schon vom Eis !“ Herr S., Vorgesetzter des Wegewarts beim Bezirksamt Eimsbüttel gibt sich jovial am Telefon. Im Verlauf dieses und der folgenden Gespräche bleibt er der Angewohnheit treu, mich zu siezduzen. Drei Tage vorher, als ich am Freitag ins Geschäft kam, hatte ich meinen Augen kaum trauen wollen: Das von uns vor unserem Weingeschäft in Hamburg-Eimsbüttel um den Straßenbaum herum angelegte kleine Blumenbeet existierte nicht mehr. Die Umrandungssteine und die Muttererde waren verschwunden, die herausgerissenen Pflanzen lagen vor meiner Ladentür. Laut (empörter) Auskunft meiner Nachbarin hatten Mitarbeiter einer Baufirma auf Anweisung des Wegewarts (sic) des Bezirksamtes das Beet entfernen müssen. „Nein, Herr Harder, ganz sicher nicht; sowas machen unsere Wegewarte nicht, schon gar nicht, ohne vorher mit Dir zu sprechen“. Herr S. meint, sie seien ja schließlich für die Bürger da, und ich solle mir mal keine Sorgen machen, er würde das gleich mal klären und in Ordnung bringen, Herr Harder, Du…
Nachdem der Vorarbeiter der Baufirma bestätigt hatte, daß seine Leute das Beet auf Anweisung des Wegewarts entfernt hätten, der sogar während des Zerstörungswerks daneben gestanden hätte, streitet Herr S. das beim nächsten Telefonat vehement ab. Sein Wegewart hätte die Bauarbeiter (!) stattdessen aufgefordert, sich mit mir in Verbindung zu setzen, um „das zu klären“. Im übrigen hätte er tonnenweise Muttererde und Pflastersteine auf dem Behörden-Bauhof liegen, und wenn ich ihm sagen würde, welche Pflanzen bei der Aktion kaputtgegangen wären, würde er mir das alles wieder anliefern lassen. „Du mußt nur einen Antrag auf Sondernutzung stellen, Herr Harder, damit das alles seine Ordnung hat, dann kriegen wir das schon wieder hin.“
Na gut, ich stelle einen Antrag auf Sondernutzung, muß ja alles seine Ordnung haben, und ist nach Aussage meines Fast-Duzfreundes Herrn S. ja auch nur eine Formalie. Eine Woche später ein Anruf vom Wegewart persönlich: Morgen früh sei Ortstermin mit der Verkehrspolizei (!) wegen des Antrags auf Sondernutzung (wir reden übrigens immer noch über ein Areal von ca. 30cm Breite auf einer Fläche, die wegen der Baumwurzeln nicht gefliest ist, neben ca. 4 Metern gefliestem Weg). Der Ortstermin ist für mich nach 5 Minuten beendet, da die beiden Polizisten klipp und klar erklären, dem Antrag könne nicht stattgegeben werden, da es sich bei den 30cm um öffentliche Wegfläche handeln würde. Die drei Beamten vertreiben sich noch etwa weitere 20 Minuten ihrer öffentlich finanzierten Zeit vor meinem Laden, bevor sie sich in ihre zwei öffentlich finanzierten Kraftfahrzeuge setzen und davonfahren.
Am folgenden Tag bedauert Herr S. am Telefon, aber er könne ja nichts machen, wenn die Polizei nicht zustimmt. Ich bedanke mich höflich dafür, daß ich jetzt wieder ein öffentliches Hundeklo vor dem Laden habe, und verabschiede mich von Herrn S. mit seiner Versicherung, daß er mir in Kürze zwei Sack Muttererde, 50 Pflastersteine und Ersatz für zerstörte Pflanzen liefern läßt…
Der am häufigsten gehörte Kommentar meiner Kunden (den Tatbestand der Beamtenbeleidigung erfüllende ausgenommen) lautet, das sei ja wohl „der Gipfel der Beklopptheit“. Die es dafür halten, haben wohl bisher eher wenig mit Hamburger Behörden zu tun gehabt. Meine diesbezüglichen Erfahrungen gleichen mittlerweile einem veritablen Beklopptheitsgebirge mit gleich mehreren Achttausendern.
II. Das schwarze Loch oder Auf dem Postweg verschwunden
Die ersten Hürden oder – um im Bild zu bleiben – die erste Hügelkette, die es vor der Geschäftseröffnung zu erklimmen gilt, sind die behördlichen Erlaubnisse zum Betrieb eines Weinladens. Obwohl in meinem Fall nichts gebaut, sondern nur möbliert und eingerichtet werden soll, muß zu diesem Zweck ein Nutzungsänderungsantrag beim Bauamt gestellt werden. Aus diesem Antrag wird dort eine Akte eingerichtet, die dann ohne weitere Bearbeitung an das Wirtschafts- und Ordnungsamt weitergeleitet wird. Nun muß das Wirtschafts- und Ordnungsamt den Antrag prüfen, im Falle eines positiven Ergebnisses dieses Ergebnis amtlich attestieren, und die Akte geht zurück an das Bauamt, welches dann lediglich noch einen Stempel draufsetzt, Gebühren kassiert und die Erlaubnis dem Antragsteller zustellt.
Gleichzeitig wird – ebenfalls beim Wirtschafts- und Ordnungsamt – ein Gewerbe angemeldet; ohne diese Anmeldung darf die Ladentür nicht aufgemacht werden. Dafür wird u.a. ein unterzeichneter Mietvertrag verlangt. Den Mietvertrag kann ich natürlich nicht unterzeichnen ohne die gültige Nutzungsänderungserlaubnis, die mir ja erst die Nutzung des Mietobjekts ermöglicht, aber ohne Mietvertrag gibt es keine Gewerbeerlaubnis und ohne Gewerbeerlaubnis – und jetzt kommt’s – keine Nutzungsänderungserlaubnis (können Sie das Wort noch einmal sagen, ohne zu spucken?).
Um da rauszukommen und das Ganze etwas zu forcieren, rufe ich beim Bauamt an, um mich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen und erhalte die Auskunft, der Vorgang sei bereits beim Wirtschafts- und Ordnungsamt, wo man mir wiederum mitteilt, die Akte sei noch nicht eingegangen. Exakt eine Woche dauert es, bis der Vorgang beim Wirtschafts- und Ordnungsamt auftaucht. Er sei „auf dem Postweg“ gewesen. Das Wirtschafts- und Ordnungsamt befindet sich im Grindelhochhaus im 7. Stock, das Bauamt in der 9. Etage des selben Gebäudes.
Wie um die Effektivität beider Ämter noch einmal zu unterstreichen, kommen, zwei Tage, nachdem ich mir die Nutzungsänderungserlaubnis dann endlich selbst abgeholt hatte, 2 (zwei) Mitarbeiter des Bauamtes und 1 (ein) Mitarbeiter des Wirtschafts- und Ordnungsamtes, macht insgesamt 3 (drei) Mann, in mein 35 qm großes Geschäft ohne Baumaßnahmen, um mir nämliches Dokument noch einmal in Kopie zu überreichen, je zwei Kaffee auf meine Kosten zu trinken, und mich darauf hinzuweisen, daß ich nun noch ein Foto meines Ladenschildes einzureichen hätte. Nach einem Blick auf die Uhr – es ist 12.00 Uhr durch – verabschieden die Herren sich mit den Worten „dann wollen wir mal ins Café Strauß“. Dort gibt es einen sehr guten Mittagstisch und sicher auch noch etwas zu prüfen.
Mittlerweile heißt das Wirtschafts- und Ordnungsamt nicht mehr Wirtschafts- und Ordnungsamt, sondern Amt für Verbraucherschutz. Vielleicht ist es ja auch explodiert oder in einem schwarzen Loch verschwunden.
III. Die Zwei von der Weinkontrolle
Nun geht es munter weiter bergauf ins Gebirge der behördlichen Konfusionen. Eines Tages stehen zwei ältere Herren in der Ladentür. Schirmmütze, Regenjacke, das Auftreten, der Blick – spätestens wenn die rechte Hand zur linken Brusttasche geht, um den Dienstausweis zu zücken, weiß der durch Erfahrung geschulte Gewerbetreibende: Behörde! Sie stellen sich vor als Mitarbeiter der „Weinkontrolle“ beim Bezirksamt Hamburg-Mitte und seien (auf meine Einlassung, daß wir ja in Eimsbüttel wären) für gaaanz Hamburg zuständig. Sie hätten meiner Handelsregister-Anmeldung entnommen, daß mein Geschäft „WeingutWein“ hieße, und seien jetzt hier, um zu kontrollieren, ob die Weine, die ich verkaufen würde, auch ausschließlich von Weingütern kämen. Würde ich auch Wein von Kellereien oder Genossenschaften anbieten, müßte ich entweder den Geschäftsnamen ändern oder diese Weine aus dem Sortiment nehmen. Auf meine daraufhin geäußerte Skepsis erklärt einer der beiden mir etwa eine halbe Stunde lang immer wieder mit anderen Worten und einer mich in eine gewisse Defensive drängenden feuchten Aussprache, daß und warum das nun so sei. Aber bei mir sei ja alles in Ordnung, ich hätte ja nur Weine von Weingütern im Angebot – spricht’s und hält dabei eine Flasche Riesling von der Genossenschaft Turckheim in der Hand.
Abschließend muß ich noch in einer Schulkladde den Besuch der beiden Herren per Firmenstempel bestätigen. Das klappt beim vierten Versuch, als ich die Angelegenheit selbst in die Hand nehme. Vorher hatte der spuckende Weinkontrolleur das Heft dreimal so auf die Tischkante gelegt, daß der Stempel immer wieder verrutscht und unleserlich war. Als die beiden gegangen sind, und ich noch einmal nachgesehen hatte, ob nicht doch irgendwo eine versteckte Kamera zu entdecken sei, öffnet sich auch die Tür zu meinem Lagerraum wieder. Thomas, mein Ladenbauer, der an diesem Tag dort einige Regale einbaut, hatte sie irgendwann während des Besuchs von Pat und Patachon geschlossen. Er liegt immer noch auf dem Boden und hält sich den Bauch vor Lachen. Das kann allerdings nur verstehen, wer diese Typen gesehen und gehört hat. Komischer waren auch die beiden Gasthauskontrolleure aus Josef Hader’s österreichischer Komödie „Indien“ nicht.
Ein halbes Jahr später sind die beiden noch einmal da, die Nummer mit dem Stempel und der Kladde wiederholt sich, aber was sie diesmal wollen – ich weiß es einfach nicht, dunkel bleibt der Rede Sinn! Übrigens: Laut Auskunft meines Anwalts kann ich meinen Laden nennen, wie ich will, egal, woher ich meine Weine beziehe.
IV. Hierzu sind Sie nicht berechtigt
Gleich mehrfach hätte ich beinahe aufgegeben beim Versuch, die Gipfel der zollrechtlichen Vorschriften zu erklimmen, obwohl ich ausschließlich Wein aus EG-Mitgliedsstaaten einführe. Freier Handel, Wegfall von zollrechtlichen, bürokratischen Hindernissen? Von wegen!
Nach mehreren längeren Telefonaten und einem persönlichen Besuch beim Zollamt habe ich endlich verstanden: Für jede Einfuhr von Wein, und seien es nur 30 Flaschen, muß ich vorher schriftlich eine „Erlaubnis zum Bezug von Wein im Verfahren der Steueraussetzung als berechtigter Empfänger im Einzelfall“ beantragen. Auf meine Frage, ob das nicht anders, nämlich langfristig, zu regeln sei, heißt es klipp und klar: Nein! Einmal (es soll ja vorkommen, daß ein Weinhändler mal schnell Nachschub braucht) bekomme ich den Wein am selben Tag, an dem ich die Erlaubnis zur Einfuhr erhalte. Dieser unglaubliche Verstoß gegen ichweißnichtwas kostet mich €120,- Bußgeld. Also heißt es: Vor jeder Weinbestellung aus dem Elsass oder aus Österreich einen Antrag stellen, die vierseitige Erlaubnis abwarten, dann den Wein abrufen, bei Erhalt die Zollpapiere (4-fach) ausfüllen, ans Zollamt schicken, das vom Zoll gestempelte und an mich zurückgeschickte Formular an den Lieferanten zurücksenden (…oder so).
Irgendwann erzählt mir ein Kollege, daß es auch eine unbefristete Dauererlaubnis gäbe. Auf meine Anfrage beim Zollamt wird mir das bestätigt, und auf meine Frage, warum man mir das denn nicht längst gesagt hätte (s.o.) ernte ich nur ein Schulterzucken. Nun erhalte ich also eine „Erlaubnis zum Bezug von Wein im Verfahren der Steueraussetzung als berechtigter Empfänger.“ ohne „im Einzelfall“, also eine Dauererlaubnis. Dafür muß ich noch einen Lageplan zeichnen, aus dem hervorgeht, an welcher Stelle in meinem 20qm großen Lagerraum der Wein aus dem Ausland lagert.
Was fehlt noch? Na klar, die Prüfung! Man will ja auch mal raus aus der Amtsstube. Also wird vom Mitarbeiter des „Prüfungsdienstes“, Herrn Sch., ein Termin in meinem Lager vereinbart. Dieser wichtige Prüfungstermin nimmt eine halbe Stunde in Anspruch, in der Herr Sch. zwar meinen Lagerraum nicht betritt, mir aber höchst eindrucksvoll und ausführlich von seinen noch viel wichtigeren Terminen bei diversen Großimporteuren berichtet. Anschließend gibt es wieder einen Stempel in sein Berichtsheft.
Meine Dauererlaubnis gilt im übrigen nicht für Schaumwein, bei dessen Einfuhr das alte Verfahren gilt. Zusätzlich muß ich dafür die anfallende Sektsteuer vor der Lieferung bezahlt haben. Einmal wage ich, den Crémant aus dem Elsass schon einen Tag nach Zahlung der Sektsteuer liefern zu lassen, wofür ich wieder einen dreiseitigen Anranzer einfange, in dem es u.a. heißt:
„Für den Bezug aus dem freien Verkehr zu gewerblichen Zwecken sind Sie nicht berechtigt gewesen…Bei dem Erlaubnisschein handelt es sich ausschließlich um ein nationales Überwachungs- und Legitimationspapier, dessen Funktion somit vom materiellen Regelungsgehalt der Erlaubnis zu unterscheiden ist. Die Verwendung von Erlaubnisscheinen ist nicht Gegenstand der Richtlinie 92/12/ EWG und damit für die innergemeinschaftliche Beförderung verbrauchssteuer- pflichtiger Waren unter Steueraussetzung ohne Bedeutung.“
Übrigens: Die sprechen auch so.
V. Recht und Gesetz statt Sinn und Verstand
Die allerhöchsten Gipfel (resp. die höchste Instanz), die man als Bürger und Gewerbetreibender in unseren Ämtergebirgen erklimmen kann, türmen sich hinter den Schranken eines deutschen Gerichtes auf. Ich habe es bis dahin geschafft, und auch diese Geschichte will ich noch erzählen.
Wie überall in Eimsbüttel sind auch bei uns die Parkplätze knapp. Also hat man öfter ein Problem, wenn man mit dem Wagen voll Wein aus dem Lager kommt, und findet keinen Platz vor dem Geschäft. Aber zum Glück gibt es ja nette Nachbarn wie die Familie Herbst, die auf der anderen Straßenseite über einen Behindertenparkplatz verfügt. Da Herr Herbst selbst nicht mehr fährt, und sein Parkplatz meist ungenutzt, also leer steht, bietet er mir an, ihn zu benutzen, wenn ich mal Ware anzuliefern hätte. Genau das ist eines Tages der Fall. Ich komme gegen 12.00 Uhr mit dem Auto voller Weinkisten, finde keinen Parkplatz, stelle mich auf den Behindertenplatz gegenüber und beginne, auszuladen. Zwischendurch bediene ich die erste Kundin, die plötzlich nach draußen zeigt und sagt: „Ach, seh’n Sie mal, da ist er schon wieder am Knöllchen schreiben.“
Das Auto, vor dem der blauuniformierte Polizeimitarbeiter steht, ist mein Audi, und ich flitze schnell über die Straße, um mein vorschriftswidriges Halten zu erklären. Aber kaum habe ich erzählt, der Inhaber des Platzes hätte mir die gelegentliche Nutzung erlaubt, bellt der Blaue mich an „Das darf der gar nicht!“. Ich bleibe höflich, versuche zu erklären, daß ich nur ausladen und, sobald ein regulärer Parkplatz frei sei, mein Fahrzeug umsetzen würde, und daß es doch so besser sei, als die Straße zu blockieren. Aber alles, was aus dem Mund der Staatsmacht in harschem Ton herausquillt, ist a) der Inhaber darf den Behindertenplatz niemandem übertragen und b) ich solle unverzüglich mein Fahrzeug entfernen, sonst würde er es abschleppen lassen.
Daß ich immer noch eine Kundin im Geschäft stehen habe, und kein anderer Parkplatz frei ist, beeindruckt den Mann nicht, so daß ich ihn schließlich mit der Bemerkung stehenlasse, dann müsse er eben tun, was er für richtig halte. Nachdem ich 10 Minuten später meine Kundin endlich bedient, zu Ende ausgeladen und das Auto auf einen frei gewordenen Parkplatz umgesetzt habe, taucht der Blaue erneut auf, diesmal in Begleitung des zuständigen „bürgernahen Beamten“, der mich kennt. Dieser läßt den Blauen draußen und kommt allein ins Geschäft, erklärt mir entschuldigend, daß „diese Mitarbeiter manchmal ein wenig unflexibel“ seien, wir verabschieden uns, und ich glaube, damit sei die Angelegenheit erledigt.
Doch weit gefehlt. Drei Wochen später erhalte ich wegen unberechtigten Parkens auf einem Behindertenparkplatz eine Verwarnung mit der Aufforderung, € 35,- zu bezahlen. Überzeugt davon, im Recht zu sein, und darauf vertrauend, daß die Sache abschließend durch das Gespräch mit dem bürgernahen Beamten geregelt worden sei, lege ich Widerspruch ein, und erläutere in der Begründung noch einmal den Vorfall. Weitere drei Wochen später kommt ein Bußgeldbescheid über die € 35,- plus € 5,- Gebühr, ich lege erneut Widerspruch ein, und als nächstes erhalte ich eine Ladung zur – ich kann es kaum glauben – Gerichtsverhandlung ! Eine Gerichtsverhandlung wegen so einem überflüssigen Scheiß, am liebsten möchte man das Ganze sofort und endgültig nur noch ignorieren – ist aber zu spät. Also bewaffne ich mich mit einer schriftlichen Erklärung von Herrn Herbst, daß er mir gestattet hat, seinen Parkplatz zu nutzen, und gehe optimistisch ins Gericht. Eine Richterin, also eine gebildete Frau, wird ja wohl hier die Maßstäbe zivilisatorischer Vernunft walten lassen. Aber wieder weit gefehlt !
Weder Herrn Herbst’s Bestätigung noch irgendwelche Argumente für vernünftiges Handeln mit Augenmaß nützen etwas: Ich werde verknackt, allerdings nur zur Zahlung des Bußgeldes zuzüglich einiger zehn Euro Gebühren. Die Kosten der Gerichtsverhandlung mit einer Richterin, zwei Beisitzern, diverser Arbeiten in der Schreibstube (so heißt das tatsächlich noch), dem bürgernahen und dem blauuniformierten Polizisten als vom Gericht geladene Zeugen (schätzt jemand das auf weniger als € 1.000,- ?) trägt – na wer wohl – der Steuerzahler.
VI. Der Wahnsinn hat Methode
Eigentlich wollte ich das alles gar nicht an die große Glocke hängen, und es gibt ja wirklich ein paar größere Probleme als den Ärger eines Weinhändlers mit den Hamburger Behörden. Aber nachdem ich mehrfach von Freunden und Kunden, denen ich von meinen Erlebnissen erzählte, aufgefordert wurde, mich doch an die Presse zu wenden, und nachdem sie mir nun auch noch mein kleines Blumenbeet (schluchz) zerstört haben, finde ich: nun ist mal genug!
Nein, an die Presse schreibe ich nicht; ich will mich nicht zum Opfer von Behördenwillkür stilisieren und womöglich nach Gerechtigkeit greinend den verbotenen Gartenzwerg in die Kamera halten. Aber die größten Beklopptheiten aufzuschreiben, und auf diesem Weg andere daran teilhaben zu lassen, halte ich für eine ganz gute Idee. Wenn sie uns mit ihren Verquastheiten schon das Leben schwer machen, halten wir uns eben schadlos, indem wir es als Realsatire nehmen und wenigstens ein bißchen Spaß damit haben.
Leider ist es im konkreten Fall meist wenig spaßig. Nicht Sinn und Verstand regieren in den Hamburger Amtsstuben, es geht in der Regel darum, irgendwelchen Vorschriften, Verordnungen oder Gesetzen bedingungs- und vor allem besinnungslos zum Durchbruch zu verhelfen. Und oft toben sich an vorderster Front Kleinbürger aus, die den Frust über ihr armseliges Beamtendasein kompensieren, indem sie ihnen wegen ihrer Funktion ausgelieferte Bürger drangsalieren.
Und noch etwas ist und bleibt einfach ärgerlich. Man kann wohl mit einigem Fug und Recht davon ausgehen, daß ich nicht der einzige bin, dem solches widerfährt. Wenn man die Kosten für die oben geschilderten Aktionen addiert und das Ergebnis hochrechnet auf einige Tausend Einzelhändler, Gastronomen und andere Gewerbetreibende, die „Normalbürger“ gar nicht mitgezählt, landet man schnell im mehrstelligen Millionenbereich! Das alles sind nur die Höhepunkte aus wenig mehr als einem Jahr – wir können also optimistisch sein, daß es weitergeht und auch im nächsten Jahr von manch alpiner Großtat zu berichten sein wird. Ich halte Euch auf dem Laufenden.
WILLKOMMEN IM PARADIES DER BEKLOPPTEN !
(Dieser Text stammt aus dem Jahr 2004)
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